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1. Verstehen

Der erste Schritt um rassismuskritisch(er) zu werden, ist zu verstehen, was Rassismus überhaupt ist und vor allem wie er entstanden ist. Das klingt jetzt vielleicht banal, aber könntest Du sagen was Rassismus mit dem Kolonialismus zu tun hat? Und was Rassismus eigentlich genau ist? Ich habe es erst verstanden, als ich mich auf meinen Freiwilligendienst in Südafrika vorbereitet habe.


Die Entstehungsgeschichte des Rassismus ist eng mit dem Kolonialismus und dem transatlantischen Sklavenhandel im 14. und 15. Jahrhundert verknüpft. Mit Beginn der europäischen Kolonialherrschaft in Afrika wurden afrikanische Länder überfallen, ganze Kulturen und Völker vernichtet und Menschen als Sklaven verkauft. Das Ganze geschah unter den Begriffen „Zivilisierung“, „Fortschritt“ und Religion, dabei ging es vielmehr um Macht und ökonomischen Einfluss auf einem anderen Kontinent. Es entwickelte sich ein riesiges System der Sklaverei, dem schätzungsweise 17 Millionen Menschen aus Afrika zum Opfer fielen. Hierbei wird auch von Maafa oder frei übersetzt dem afrikanischen Holocaust gesprochen. Die Sklaverei etablierte sich als Teil des ökonomischen und politischen Systems und war die Grundlage für den europäischen Wohlstand. Damit dieses System weiter funktionieren kann, brauchte es eine moralische Legitimation. Es musste eine Erklärung her, warum Menschen unter den grausamsten Bedingungen versklavt wurden, um wirtschaftliche Bedürfnisse zu befriedigen. Eine externe Rechtfertigung, warum das System nicht moralisch verwerflich ist. Kurz: die Rassentheorien wurden erfunden.


Der Begriff „Rasse“ wurde lange Zeit ausschließlich zur Klassifizierung von Tier- und Pflanzenarten genutzt bis im 17. Jahrhundert der Begriff auf Menschen übertragen worden ist. Dahinter steht die fatale Behauptung, dass es Differenzierungen zwischen Menschen gibt, die auf biologischen oder genetischen Gegebenheiten beruhen. Es wurde eine Hierarchie aufgestellt, in der weiße Menschen immer ganz oben standen. Hinter dieser Hierarchie stand die Annahme, dass ausschließlich weiße Menschen Menschen sind und nicht-weiße so aus dem menschenrechtlichen Wertekanon fallen. Diese Einteilung in Rassen hatte nur ein Ziel: nicht-weiße Menschen zu dehumanisieren, damit das Konstrukt des Sklavenhandels weiter funktionierte. Oder einfacher ausgedrückt: „Menschenrassen“ bzw. Rassismus wurde von weißen Menschen erfunden, um die eigene Machtposition zu schützen und das verwerfliche Verhalten zu legitimieren. Wie können wir also glauben, dass ein solches System wie Rassismus, das jahrhundertelang genutzt wurde, um Menschen auszubeuten und zu töten, heute einfach nicht mehr existiert? Rassismus ist keine Ausnahme. Rassismus ist die Norm. Das müssen wir endlich begreifen.


Eine Definition, die aus meiner Sicht gut zusammenfasst, was Rassismus ist: „Rassismus ist der Glaube, dass menschliche Populationen sich in genetisch bedingten Merkmalen von sozialem Wert unterscheiden, sodass bestimmte Gruppen gegenüber anderen höherwertig oder minderwertig sind“ [1]


Rassismus meint also nicht nur die negative Reaktion auf einen angeblichen Unterschied, sondern bereits die Behauptung, dass es einen Unterschied gibt. Und vor allem sorgt Rassismus dafür, dass eine Gruppe (wir weißen) privilegiert ist und Macht hat oder erhält. Immer wieder wird auch von dem sogenannten „Positiv“-Rassismus gesprochen. „Positiv“ Rassismus meint das Zuschreiben von positiven Assoziationen. Hier eignet sich ein Beispiel aus meiner Zeit in Johannesburg:


An meinem ersten „richtigen“ Tag in Johannesburg wurde ich gemeinsam mit meinen Mitfreiwilligen zu einer Farewell Party der ehemaligen Freiwilligen eingeladen, die sich zu dem Zeitpunkt noch in ihrer Einsatzstelle in Hillbrow, einem Stadtteil von Johannesburg, befunden haben. Viele ihrer Freunde (die später auch zu meinen Freunden wurden) waren Teil einer Tanzgruppe und faszinierten an diesem Abend wirklich mit ihrem Talent. Meine Aussage dazu war: „Wow, die können ja wirklich viel besser tanzen als wir“. Was ich wohl eigentlich meinte: Schwarze Menschen können besser tanzen als weiße. Ich habe ganz selbstverständlich das Talent tanzen zu können auf ihre Herkunft zurückgeführt, nicht aber auf ihr ganz persönliches Talent, wonach eben manche Menschen gut tanzen können, andere wiederum nicht. Es gibt keinen positiven Rassismus. Rassismus beruht immer darauf, dass wir weiße Menschen andere Menschen einteilen und ihnen als Gruppe (nicht als Individuum) Eigenschaften zuschreiben.

[1] UNESCO-Erklärung gegen den Begriff „Rasse“ von 1995


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